Gute Neuigkeiten am Ende des Juni

Auf dem Zettel hab’ ich heute: Angst.

Ich bin so genervt davon, wie angstgetrieben unser Leben ist.

“Komm in deine Kraft!” - “Entdecke deine Stärken” - “Du kannst dich weiterentwickeln” - “Raus aus der (Zutreffendes bitte einsetzen)-Falle”. Selbstoptimierung bis der Arzt kommt…

Merkt Ihr was? All diese Angebote gehen von einem Malus aus und bauen auf die Angst, dass etwas mit uns nicht stimmt, nicht richtig ist, verbessert werden müsste, erst noch entdeckt werden müsste. Und diese Angebote bauen auf die Angst, dass wir selbst nicht kompetent genug sind, uns aus uns selbst heraus weiterzuentwickeln.

Wie wäre es einfach mal mit leben? Wie wäre es einfach mal mit sein? Klingt revolutionär, ne?

Ist es auch, denn die Vorstellung, wir könnten alles in allem ganz in Ordnung sein so wie wir sind und bräuchten eigentlich gar keine Angst haben, ist eigentlich undenkbar. Kann ich nicht noch ein bisschen fitter werden? Noch 1, 2 Kilo abnehmen? Noch gelassener, glücklicher, cooler, schlauer, erfolgreicher, beliebter, reicher, begehrenswerter und schöner werden? Geht nicht noch mehr, mehr, mehr? Und die Angst, nicht gut genug zu sein, ist wie der Teufel hinter uns her. Deswegen rennen wir fortwährend, strampeln uns ab, lesen Bücher über Glücksformeln, gehen zu irgend welchen Ratgebern, in der Hoffnung, dass die uns wieder hinkriegen, dass die uns verbessern und wissen, was gut für uns ist.

Wie weit wir mit dem “immer mehr, höher, schneller, weiter” in Bezug auf Klimaschutz und Umweltschutz gekommen sind, lernen wir gerade jetzt. Die Erde, die Natur ist am Ende des “immer mehr”.

Spoiler: Das gleiche gilt für uns Menschen.

Ich habe im letzten Jahr, als mir die Pandemie-Situation so richtig an die Nieren ging, meine (manchmal ziemlich schmerzhafte) Lebensgeschichte aufgeschrieben und meine daraus resultierenden Grundüberzeugungen auf kleine Zettel geschrieben. Dann habe ich aus einem Impuls heraus einen großen Blumentopf genommen, in dem noch ein Rest olle Pflanzerde war, habe mich auf die Terrasse gesetzt und die Blätter mit der schmerzhaften Lebensgeschichte und die Zettelchen mit den (alten) Grundüberzeugungen abgefackelt. Verbrannt, Asche, verweht. Weg mit “ich bin nicht gut genug”, weg auch mit “du hast das nicht verdient” usw. usw. Der ganze Quatsch verflog buchstäblich in der Luft. Es war ein Akt der Befreiung. Auch ein Willensakt.

Ich war so genervt von allem, dass mich Pandemie-Situation so festhält und genervt davon, dass mich diese alten Glaubenssätze so festhalten. Ich habe genug davon. Ich stelle mir vor, dass einige, die das jetzt lesen, ziemlich fragende Gesichter haben und Zweifel. Ja, klappt denn das so einfach? Wenn das so einfach wäre….

Es ist so einfach. Punkt.

Wir können uns kaputt denken (durch Ängste, Selbstzweifel, unrealistische Wunschvorstellungen, Perfektionismus…) und bekommen dann Angststörungen, Zwänge, Depressionen, Schlafstörungen, Süchte…

Wir können uns auch wieder gesund denken (durch uns selbst ok finden, durch einfach mal machen, durch Schritt für Schritt vorwärts gehen, durch einfach mal leben, durch schräge Aktionen wie mein Verbrennen alter, nicht mehr passender Überzeugungen).

Ich lebe gerne. Ich lebe gerne mein Leben, auch wenn es Tage gibt, an denen ich: weine, müde bin, traurig, zu nichts Lust habe, von meinen Kids entnervt bin, keine Lust habe, Sport zu machen, meine Arbeit verfluche, mit Sorge auf mein Bankkonto schaue, Menschen in der Bahn mich nerven, das Wetter scheußlich ist, mich im Spiegel seltsam abstehende Haare anschauen und meine dunklen Augenringe, der Kleiderschrank irgendwie nichts passendes für mich hat, mir der Rücken wehtut, ich mich über meinen Partner ärgere, kurz: Ich mich klein, krumm, doof und traurig finde. Es gibt solche Tage und sie gehen vorbei. Ich habe keine Lust mehr, mich davon in meinem Gesamtbild von mir runterziehen zu lassen. Ich kann nicht alles, ich mache Fehler, ich mag bestimmte Leute nicht und bestimmte Leute mögen mich nicht. Na, und?! So ist das Leben, ein Auf und Ab, mal Regen, mal Sonnenschein. Wir haben das irgendwann vergessen, dass das normal ist. Auch wenn mein Tag sch… ist, heißt das nicht, dass ich sch… bin.

Was hat mir die Abfackel-Aktion jetzt gebracht? Am Anfang war es noch ein bisschen “trotzig”, wenn aus der Luft irgend so ein alter Glaubenssatz wieder zurückgeflogen kam und ich dachte: “Nein! DU bist weg. DU hast mir nix mehr zu sagen.!” Jetzt ist es so, dass ich einfach loslege mit meinen Tagen, mache, handle, meinem Bauchgefühl traue. Manchmal kann ich hinten am Himmel so ein graues Lüftchen sehen und denke mir dann, nee, der alte Glaubenssatz da, der braucht gar nicht erst wiederzukommen. Brauche ich nicht mehr. Das hat mich gelassener gemacht, denn da springt lange nichts an, wenn mir ein Fehler passiert oder ich mich schlecht fühle. Das passiert einfach jetzt, es kann jedem passieren und es hat nichts mehr zu tun mit einem elend langen Rattenschwanz von Assoziationen zu meiner Lebensgeschichte. Es sind Sachen, die heute passieren und auch heute gelöst und gelebt werden. Fertig.

Dieses Gefühl gibt mir die Freiheit, heute zu leben und mich heute verändern zu können und das ist alles, was zählt. Ich habe die Freiheit, gelassen zu sein, wer ich bin.

Du musst nicht “künstlich” optimiert, verbessert und perfektioniert werden, denn das passiert ganz von allein, während Du Dein Leben lebst.

Und das Tolle ist: Das können wir! Das können wir ganz allein. Wir brauchen dazu kein Buch lesen, keinen Trainer, Coach oder Heiler. Wir können solche Sachen von ganz allein. Wir entwickeln uns ganz von allein fort, weil wir uns von innen heraus verändern und weiterentwickeln wollen. Wir sind also per se gar nicht defizitär und fehlerbehaftet, sondern wir selbst. Wir sind. Das hat schon Carl Rogers vor vielen Jahren festgestellt. Und dazu brauchst Du nicht mehr, als dass Du Dein Leben lebst (mit allem, was passiert) und darauf achtest, was für Impulse in Dir auftauchen. Vertraue auf Dich und das Leben an sich: Das wird schon werden. Denn Du bist kompetent genug, Dein Leben zu gestalten. Höre auf Dein Herz und wohin es Dich zieht.

Weiter
Weiter

“Die” Heilpraktiker sind KEINE Corona-Leugner