“Die” Heilpraktiker sind KEINE Corona-Leugner

Am Ende dieses Jahres reicht es mir.

Immer wieder in diesem Jahr werden “die” Heilpraktiker im Zusammenhang mit der Bewegung der Corona-Leugner und den dazugehörigen Demos genannt. Berichtet der SPIEGEL über dieses Thema, tauchen in den Kommentarspalten regelmäßig ätzende Kommentare über “die” Heilpraktiker auf, die halt auch Spinner seien. Twitter ist voll von hasserfüllter Hetze gegen “die” Heilpraktiker.

Dazu 3 Fakten:

  • “Die” Heilpraktiker sind KEINE Corona-Leugner und Impfgegner

  • “Die” Heilpraktiker gibt es nicht

  • Weder Medien, Pressevertreter, manche Fachkreise noch die breite Masse wissen wirklich, wer “die” Heilpraktiker sind.

Der Beruf der Heilpraktiker ist ein nicht-akademischer Heilberuf und daher ohne Approbation wie etwa Ärzte oder Psychologische Psychotherapeuten. Es wird eine Prüfung (schriftlich und mündlich) beim Gesundheitsamt des Ortes abgelegt, an dem die angehenden Heilpraktiker:innen ihre Praxis eröffnen möchten. Wird die schriftliche Prüfung bestanden, erfolgt die Zulassung zur mündlichen. Vor einem Gremium von mind. Amtsarzt/Amtsärztin, einem/r Berufskolleg:in und einem approbierten Psychologen muss Fachwissen gezeigt werden durch eine Fallanalyse mit Diagnosestellung und Behandlungsvorschlag. Ausserdem müssen Fragen zu Theorie, Diagnosestellung, Behandlung, Rechtsvorschriften etc. beantwortet werden. Wird diese Prüfung bestanden, erhält der/die angehende Heilpraktiker:in die “Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung” nach dem Heilpraktikergesetz.

Oft wird in den Medien darauf herumgeritten, dass Heilpraktiker ja “nur” einen Hauptschulabschluss vorweisen müssten und keine Pflicht besteht, überhaupt vorher eine - wie auch immer geartete - Schule besucht und eine Ausbildung gemacht zu haben. Letzteres ist - LEIDER - immer noch richtig.

Nicht jede Ausbildung zum Heilpraktiker ist wirklich gut, nicht jeder ist wirklich gut geeignet, sich das ganze Wissen anzueignen oder im Umgang mit Patient:innen. “Warum studiert ihr dann nicht gleich Psychologie?”, könnten die Hetzer jetzt fragen. Ich habe Psychologie angefangen, aber das Studium abgebrochen, weil es mir sinnlos erschien für die Arbeit mit Patient:innen. Stattdessen fand ich eine kleine, unabhängige und inhabergeführte Schule, die ein sehr gutes Curriculum für angehende psychotherapeutische Heilpraktiker anbot. Von der Zelle über Menschenbilder, Einstellungen über Störungsbilder bis hin zu Therapieverfahren haben wir uns in guten zweieinhalb Jahren hochgearbeitet. Für die Prüfung habe ich damals von Januar bis Oktober durchgelernt und im ersten Anlauf bestanden. Jahre später nun wird endlich der Studiengang Psychologie reformiert…ich als “kleine” nicht-akademische Heilpraktikerin hatte also schon damals gar nicht so unrecht! Schadenfreude mit einem weinenden und einem lachenden Auge!

Aus der fehlenden Pflicht, eine Schule besucht zu haben, sollten Hetzer aber nicht ableiten, dass scheinbar jeder diese Prüfung bestehen kann. Das Gegenteil ist der Fall. Die Durchfallqouten liegen bundesweit seit vielen Jahren stabil bei um die 80 %. Die Prüfung wird von Jahr zu Jahr schwerer, was ich gut finde.

“Den” Heilpraktiker gibt es gar nicht.

Ich bekomme jeden Monat Post von Medizingeräteherstellern und Naturheilmittelfirmen. Nicht mal Fachkreise wissen also etwas über “die” Heilpraktiker (die kaufen einfach Adressdaten, in denen das Wort Heilpraktiker vorkommt). Die breite Masse der Bevölkerung, zu denen offensichtlich leider auch die Presse gehört, weiß noch weniger. Es gibt

  • Heilpraktiker:innen (früher der sog. “große” Heilpraktiker) für körperliche Beschwerden. Diese arbeiten z.B. mit Homöopathie, TCM (traditioneller chinesischer Medizin) und so weiter.

  • Heilpraktiker:innen, ausschließlich für den Bereich Psychotherapie, also für seelische Beschwerden. Dies nennt man die gegenständlich beschränkte (sektorale) Zulassung. Diese arbeiten z.B. mit verhaltenstherapeutischen Verfahren, mit systemischer Familientherapie, Traumatherapie und so weiter. SO EINE BIN ICH.

  • Heilpraktiker:innen, ausschließlich für den Bereich Physiotherapie als Zusatzqualifikation für Physiotherapeuten. Dies ist ebenfalls eine sektorale Zulassung.

Auch ich habe Kritik am Heilpraktikerberuf, aber von aller Kritik einmal ganz abgesehen: Niemand zwingt dich, zu einem/r Heilpraktiker:in zu gehen! Es herrscht Behandlungsfreiheit.

Warum also diese Hetze? Aus Spass an der Freud? Aus Freude daran, die Existenz von Menschen zu zerstören, die in diesem Beruf arbeiten?

Ja, es gibt bei den Heilpraktikern sicherlich ebenso schwarze Schafe wie in jedem anderen Beruf auch. Wahrscheinlich kennt jeder von uns integer arbeitende Banker und Banker, die schlecht beraten; gute und schlechte Rechtsanwälte, Steuerberater:innen, Ärzte und Ärztinnen. Es gibt nette und integere Polizist:innen und solche, die in zweifelhaften Chatgruppen aktiv waren.

Ja, es gibt sicherlich auch unter den Heilpraktikern welche, die gegen die Coronamaßnahmen der Regierung sind, die Corona per se leugnen, die Impfgegner sind. Das begründet sich aber nicht durch das Berufsbild, sondern liegt am Menschen und ist meiner Meinung nach seine Privatmeinung. Es gibt auch Ärzt:innen, die diese Meinungen vertreten. Gegen diese wird seltsamerweise viel weniger gehetzt - liegt das am deutschen Akademikerwahn? Wer studiert hat, muss ein besserer Mensch sein?

Wir Heilpraktiker:innen haben keine Lobby, keinen unabhängigen, schlagkräftigen Berufsverband wie die Ärzte z.B. ihren Hartmannbund.

Im Falle der Heilpraktiker:innen für den Bereich Psychotherapie gibt es seit Jahren Bestrebungen, unseren Beruf ganz zu verbieten. Einige Psychotherapeutenkammern führen einen regelrechten Kreuzzug gegen uns. Das ist immer die einfachste Lösung: Jemanden beschuldigen, tilgen. (psychologisch übrigens sehr interessant, dieses Verhalten von approbierten Psycholog:innen!)

Warum haben praktisch alle psychologischen Psychotherapeuten (“Kassen-Therapeuten”) Wartezeiten? Weil es so viele gibt, dass angeblich sogar “Überversorgung” besteht? Warum finden manche Patienten (z.B. ein Student mit Prüfungsangst) schneller einen Therapieplatz als andere (z.B. eine 54jährige mit psychosomatischen Rückenschmerzen)?

Dabei wäre die Lösung so einfach.

Anstatt zu hetzen, zu feixen und zu verbieten, warum nicht eine “kleine” Approbation einführen?

Heilpraktiker:innen, die diese Approbationsprüfung bestehen,könnten eine Zusatzbezeichnung führen (z.B. “HP mit Kassenzulassung” oder “approb. HP” und könnten mit den Krankenkassen für einen definierten Bereich abrechnen. Mit allen dazugehörenden Verpflichtungen wie Fortbildungspunkte erwerben, Antrags- und Abrechnungsbürokratie etc. etc. Alle anderen Leistungen dieser Heilpraktiker:innen blieben weiterhin Privatleistungen für Selbstzahler, aber auch diese hätten das zusätzliche Qualitätsmerkmal einer staatlichen Prüfung.

Wer hetzt, muss sich klar machen, dass er u. U. die Existenz von Menschen zerstört. Ich habe meine Praxis jetzt fast 12 Jahre. Wenn unser Beruf tatsächlich verboten werden würde, glaubt jemand ernsthaft, dass Menschen wie ich “im fortgeschrittenen Alter” auf Deutschlands intolerantem und unflexiblen Arbeitsmarkt noch einen Job finden würden? Ernsthaft? Und falls sich einige Hetzer jetzt berufen fühlen und grölen “hättste mal was Anständiges gelernt”: Ich habe etwas “Anständiges” gelernt und auch lange in dem Beruf gearbeitet. Ich habe sogar zwei kaufmännische Ausbildungen, den Ausbilderschein, Führungserfahrung.

ICH bin KEINE Corona-Leugnerin und KEINE Impfgegnerin. Ich selbst wurde als Kind “durchgeimpft” und habe das auch mit meinen Kindern so gemacht. Ich gehe jedes Jahr zur Grippe-Impfung und werde mich auch selbstverständlich - hoffentlich bald! - gegen Corona impfen lassen. In meiner Praxis werden alle Hygienemaßnahmen eingehalten bzw. ich biete eine Video-Sprechstunde an.

Es ist immer leicht, zu hetzen und zu verleumden,wenn man dies aus einer anonymen Masse heraus tut und keine persönlichen Konsequenzen fürchten muss. Es ist immer leicht, zu hetzen, wenn man keine Ahnung hat.

Meine Bitte und mein Rat: Lasst es sein! Informiert Euch! Lauft nicht jedem Rattenfänger hinterher! Denkt selbst!

Ich bin raus.

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Gute Neuigkeiten am Ende des Juni